Am 16. Juli 2025 richteten unser Kreistagsmitglied Matthias Kaiser und ich einen offenen Brief an den Thüringer Innenminister Georg Maier.
Sehr geehrter Herr Innenminister Maier, 

mit großem Entsetzen haben wir als kommunale Mandatsträger im Austausch mit kommunalen Mandatsträgern anderer Regionen feststellen müssen, welche Unterschiede es macht, wo man sich kommunal engagiert. Diese Vehemenz und Ausprägung hätten wir niemals erwartet. Die Thüringer Situation ist im Großteil der Bundesrepublik Deutschland nicht vorherrschend! 
Immer mehr kommunalpolitisch aktive Menschen ziehen sich aus ihrem Ehrenamt zurück. Angst fängt an, sich breit zu machen, denn Engagement ist gefährlich geworden. Bereits seit Jahren nehmen wir wahr, wie unterschiedliche Meinungen und Positionen in abgrundtiefen Hass umschlagen– und unser Rechtsstaat systemisch immer weiter versagt. In den vergangenen Wahlkämpfen im letzten Jahr – Kommunal im Haupt- und Ehrenamt, Europa, Landtag – war es „normal“, auf offener Straße beleidigt oder angespuckt zu werden. Fast wöchentlich wurden Hassbotschaften an unsere Bürofenster geklebt. Sprüche wie „Euch Grüne hängen wir auf“ waren alltäglich. Plakate hingen nur wenige Stunden, bevor sie nicht mehr auffindbar waren. 
Sämtliche polizeiliche Anzeigen verliefen ins Leere. Die Mitteilungen über die Einstellung der Ermittlungen stapeln sich. 
In diesem Jahr ist die Lage weiter eskaliert und lässt uns inzwischen ratlos dastehen. Am 20. Februar, wenige Tage vor der Bundestagswahl, wurde ein Anschlag auf unser Grünes Büro verübt. Seitdem prangt in großen Buchstaben, eingekratzt in die Fensterfront der Satz „Volksverräter tötet euch!“ Wir können den Tatzeitraum auf eine Stunde einschränken: Es war zwischen 12 und 13 Uhr, also am Tage in der belebten Gothaer Innenstadt, gegenüber einer frequentierten Bushaltestelle.
 Erst war es Glas, dann wurde es mehr: In dieser Zeit wurde auch bei einem Parteimitglied, das sich auch im Bündnis gegen Rechts engagiert, ein Anschlag auf ihr privates Wohnhaus verübt. Bei einer ende-60-jährigen Parteifreundin wurde, ebenso tagsüber, auf dem privaten Hof eingebrochen, es wurden Mülltonnen entzündet, die Flammen sprangen auf die Hausfassade über. Durch einen Zufall kam sie rechtzeitig nach Hause und konnte den Brand mit Hilfe der Feuerwehr löschen, bevor ihr gesamtes Haus in Flammen stand.

Beide Straftaten konnten bislang nicht aufgeklärt werden.
Erst kürzlich haben wir eine neue Qualität der Angriffe erleben müssen. Unser ehemaliges
Stadtrats- und Kreistagsmitglied wurde inmitten der Gothaer Innenstadt auf dem Markt – auch
vor Zeugen – in den Mittagsstunden auf Grund seiner Parteizugehörigkeit angegriffen:
Beginnend mit sich wiederholenden verbalen Entgleisungen des Angreifers (Sätze, wie: „Du
Grüne Drecksau“) folgte schließlich ein körperlicher Angriff mit einem Schlag vor die Brust.

Die Straftat wurde angezeigt.

Sehr geehrter Herr Innenminister Maier,
Sie bekleiden das Amt als Thüringer Minister für Inneres, Kommunales und Landesentwicklung
nunmehr seit 2017. In diesen acht Jahren Ihres Wirkens hat sich die Situation in Thüringen
nicht verbessert – im Gegenteil. Ihr Präventionssystem versagt auf ganzer Linie.
Eine Handreichung, die kommunale Mandatsträger*innen schützen soll, beinhaltet
Empfehlungen, wie beispielsweise sein Fahrzeug vor Fahrtantritt zu überprüfen oder dunkle
Plätze zu meiden. Maßnahmen, die wir bereits seit Jahren treffen – und die an der
aktuellen Realität vollends vorbeigehen.

Währenddessen befinden wir uns in einer akuten körperlichen und mentalen
Gefahrenlage. Es ist nicht sicher, in Thüringen in der Kommunalpolitik ehrenamtlich tätig
zu werden!

Dies zeigte auch der Hausbrand bei Ihrem SPD-Genossen in Waltershausen, der bis heute nicht
aufgeklärt werden konnte.

Wir fordern Sie daher auf: Handeln Sie und betreiben Sie aktive Prävention. Schützen Sie
politisch und gesellschaftlich aktive Menschen in Thüringen und werden Sie Ihrer
Verantwortung als Minister für Kommunales und Chef der Thüringer Polizei gerecht –
oder machen Sie den Weg frei für Politiker*innen, die diesen Aufgaben gerecht werden
können. Ein „weiter so“ ist nicht länger tragbar und verschärft die bestehende Gefahr.
Für Rückfragen stehen wir gern zur Verfügung und erwarten Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Kaiser                                                                               Felix Kalbe
Mitglied im Kreistag Gotha                                                           Stellvertretender Vorsitzender des Stadtrats der Stadt Gotha
Fraktion Die Linke/Bündnis 90/Die Grünen                               Fraktion Freie Wähler/Piraten/Grüne
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