Ich durfte heute in meinem Heimatdorf Uelleben einen Gottesdienst selbst halten.
Meine Predigt möchte ich gerne an dieser Stelle teilen.
Viel Spaß beim Lesen. Über Kritik freue ich mich und hoffe, darüber ins Gespräch zu kommen.
Markus schreibt im 4. Kapitel:
Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin, denn die Ernte ist da. Mk 4,26-29
Der Herr segne an uns dieses Wort. Amen.
Ich habe eine Kaffeetasse. Auf ihr ist Martin Luther abgebildet. Irgendwie passend zum Lutherjahr.
Seine Silhouette ganz in schwarz-weiß auf einem dunkelblauen Untergrund. Einfach stilisiert. In großen Buchstaben steht um den Reformator herum geschrieben: „Man dient Gott auch durchs nichts-Tun.“
Irgendwie befreiend, denke ich mir, während ich meinen Morgenkaffee trinke.
Und während ich dabei auf meinem Tablet die Nachrichten lese, denke ich darüber nach, was ich denn noch alles so zu tun habe. Ich muss noch eine Reihe Emails schreiben, mich um den Erfurter Kirchentag im Mai kümmern, meine Hausarbeit für die Uni aufs Papier bringen, und und und….
Ich bin ein Mensch, der gerne plant und ohne seinen Kalender völlig aufgeschmissen ist. Mein Kalender ist mein täglicher Begleiter. Er hat mich voll und ganz im Griff. Das hilft immens eine Struktur in den Alltag zu bekommen. Aber manchmal nervt das schon ein wenig. Man verliert die Spontanität. Die Freiheit, auch mal nichts zu tun. Den Blick über den Tellerrand hinaus im Alltag. Die Sicht auf das Wesentliche. Ich blättere durch die nächsten Wochen weiter. Bald ist Passionszeit. Ganze sieben Wochen ohne … ja wie ist denn eigentlich das Motto von diesem Jahr. Schnell suche ich im Internet nach der Seite der Fastenaktion.
„Augenblick mal! – Sieben Wochen ohne Sofort!“ – so lächelt mich das Motto an. Ich frage mich, wie das gehen soll. Ohne sofort. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Der Fleiß in deinen Jugendtagen wird später goldne Früchte tragen – schießt es mir durch den Kopf.
Naja. Aber Zeit nehmen wollte ich mir ohnehin schon länger einmal. Ich blicke auf meine Kaffeetasse. Na gut, Luther. Jetzt hast du mich.
Mein Entschluss steht also fest: Ich will mehr Gottvertrauen haben. Dingen ihren Lauf lassen. Einen Samen pflanzen und zusehen, wie er von selbst wächst. Raus, in die Natur. Sehen, wie ohne menschliches Zutun die Pflanzen wachsen und gedeihen. Den Frühling genießen.
Damit wäre ich doch schon voll und ganz auf Luthers Seite, oder? Wenn ich schließlich seiner Rechtfertigungslehre folge, bin ich doch als Christenmensch erlöst, egal was ich tue und wie ich handele. Ich bin von Gott geliebt. Er verzeiht mir alle Sünden. Er vergibt mir. Kann ich dann nicht auch tun und gerade auch lassen, was ich will? Warum ist mir dann mein Handeln nicht gleichgültig? Ich bin ja befreit, allein durch die Gnade Gottes. Was hindert mich also daran?
„der Same geht auf und wächst. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.“
Gott gibt den Dingen seinen Lauf. Nicht der Mensch. Selbst wenn wir säen, so ist es nicht unser Verdienst, dass die Pflanze Frucht bringt.
„Denn Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen.“
Wir können zwar versuchen, die Bedingungen des Wachsens zu verbessern, indem wir das Unkraut jäten, aber ob der Samen aufgeht, ob das Land fruchtbar ist, liegt nicht in unserer Hand.
Was aber in unserer Hand liegt, ist dass wir nicht handeln und nicht entgegentreten, wenn jemand mutwillig Gottes Schöpfung zu Grunde richtet. Was ist, wenn eines Tages kein Samen mehr auf das fruchtbare Land trifft, weil wir Menschen die Fläche gerodet haben? Was, wenn eines Tages die Blüten keinen Samen mehr bringen, weil sie nicht bestäubt werden können, weil die Bienen ausgestorben sind.
Wir Menschen sind kollektiv verdummt. Früher, im Mittelalter, war Umweltschutz eine klare kirchliche Aufgabe, wenn auch eher unbewusst. Klöster ließen gut ein Drittel ihrer Fläche brach liegen, um im hohen Gras und Unkraut eine Artenvielfalt gedeihen zu lassen. Zahlreiche Insekten und Lebewesen fanden auf diesen Wiesen ihr Zuhause.
Heute löschen wir Woche für Woche die Lebensgrundlage für diese Vielfalt mit dem Rasenmäher aus. Für die Optik im Garten. Damit unser Rasen grüner ist, als der im Nachbargarten.
Kann ich also Gott vielleicht doch durchs Nichtstun dienen, indem ich einfach mal den Rasenmäher im Schuppen stehen lasse?
Wow. Jetzt habe ich also schon eine Möglichkeit gefunden, Umweltschutz quasi vom Frühstückstisch aus zu betreiben.
Meine Internet-Suchmaschine pflanzt Bäume im Regenwald, mein Waschmittel ist auch umweltverträglich, ich fahre viel mit dem Zug, das ist ökologischer als mit dem Auto.
Alles im allem bin ich also ein makelloser Umweltschützer. Und in Selbstbeweihräucherung bin ich auch gut. Toll gemacht, denke ich mir und beiße in mein Aufback-Brötchen auf dem die abgepackte billig-Salami vom Discounter um die Ecke liegt.
Und schon wieder stehe ich auf dem Boden der Realität. Wieder mal beim Einkaufen viel zu schnell zugegriffen und nicht genug nachgedacht. Das muss sich ändern. Ich glaube, die Sache mit dem sieben Wochen ohne Sofort wird doch aufwendiger als gedacht. Ich muss reflektierter werden. Mehr nachdenken. Auch im Supermarkt. Meine Idee habe ich mir also gerade selbst gesät. Jetzt muss sie nur noch aufblühen.
Und was denn alles daraus entstehen könnte!
Unsere Welt könnte aufblühen. Wir müssen bloß anfangen. Vielleicht nicht sofort, sondern ersteinmal inne halten. Durchatmen. Nachdenken, was wir überhaupt ändern wollen. Nicht einfach blind darauf losrennen.
Und so ist doch das diesjährige Fastenmotto doch das richtige. Soll es zum Innehalten anregen. Nicht zum Nichtstun. Martin Luther, ich will handeln. Dir und meiner Kaffeetasse zum Trotz.
Und wie könnte man denn besser handeln, als mit
dem Säen?!
Der Evangelist Lukas schreibt in der Parallelstelle zum heutigen Predigttext im achten Kapitel:
„Das ist aber ein Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes.“
Und fürwahr: Was könnte ein besserer Same sein, um in dieser Welt Wachsen und Gedeihen hervorzubringen, als das Wort des lebendigen Gottes?
Haben wir Vertrauen in Gottes Wort und Säen wir es. Jeden Tag im Kleinen und Großen. Mit Worten und mit Taten.
Denn: „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht wie.“
Haben wir also Gottvertrauen, dass wenn wir mit unserem Reden und unserem Handeln mit gutem Beispiel voranschreiten. So können wir hoffen, dass durch unsere Taten eine Bewegung ins Rollen kommt. Als ob man einen Stein ins klare Wasser wirft. Er zieht doch weite Kreise. Ohne weiteres Zutun.
Wenn wir also mit gutem Beispiel voranschreiten, geht der Same von allein auf und träg schließlich als reife Pflanze Frucht. Ohne, dass wir hinzutun müssen. Wir müssen uns nur gedulden. Gut durchdenken, wo wir pflanzen.
Aber: „Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht reif ist, so schickt er alsbald die Sichel hin, denn die Ernte ist da.“
So können wir Hoffnung haben, dass mit der Ernte doch noch alles gut wird.
Amen.
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